Wie der Schwerbehindertennachweis das Leben erleichtert
Schwerbehindertenausweis – die Bezeichnung für das scheckkartengroße Dokument klingt für manche erst einmal abschreckend.
Doch der Ausweis ist in vielen Lebensbereichen äußerst nützlich.
Er bringt zum Beispiel;
- steuerliche Erleichterungen,
- einen verbesserten Kündigungsschutz für Arbeitnehmer,
- in manchen Fällen das Recht auf kostenlose Fahrten mit Bus und Bahn
- oder ermäßigte Eintrittspreise für Schwimmbäder, Konzerte und Museen
- oder reduzierte Mitgliedsbeiträge für Sportvereine.
Viele dieser sogenannten Nachteilsausgleiche sind gesetzlich im Sozialgesetzbuch IX geregelt.
Dennoch nicht alle beantragen den Schwerbehindertenausweis.
Fast 8 Millionen Menschen haben einen Schwerbehindertenausweis, also etwa jeder Zehnte in Deutschland.
Fachleute gehen davon aus, dass noch viel mehr Menschen schwerbehindert sind.
Aus den Beratungsstellen wissen wir, dass viele erst einmal versuchen, selbst mit den Auswirkungen der Behinderung fertig zu werden.
Erst später erfahren sie, dass sie mit dem Ausweis Anspruch auf Nachteilsausgleiche haben.
Grad der Behinderung entscheidend
Den Schwerbehindertenausweis gibt es je nach Art der Behinderung ganz in grün oder in grün-orange.
Ob jemand den Schwerbehindertenausweis bekommt und welche Vergünstigungen damit einhergehen, richtet sich nach dem Grad der Behinderung.
In Zehnerschritten von 20 bis 100 soll er ausdrücken, wie sehr sich gesundheitliche Schäden auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auswirken.
Ab einem Grad von 50 gilt man als schwerbehindert und hat Anrecht auf den Ausweis.
Dort wird der Grad unter dem Kürzel „GdB“ eingetragen.
Es geht dabei nicht nur um die Diagnose – also ob jemand beispielsweise hörgeschädigt ist, eine Krebserkrankung hat oder querschnittsgelähmt ist – sondern vor allem darum, wie sich diese Einschränkungen auf das Leben des betroffenen Menschen auswirken.
In der Regel befristet
Das Zentrum Bayern Familie und Soziales vergibt den Schwerbehindertenausweis in der Regel befristet auf einige Jahre.
Selbst ein gehörlose Person hat keinen Anspruch darauf, dass ihm der Schwerbehindertenausweis unbefristet ausgestellt wird – obwohl eine Aussicht auf Besserung in seinem Fall nicht besteht. Die Gültigkeitsdauer beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre, kann aber verlängert werden.
Trotzdem lohnt sich der Antrag für viele.
Vorteile im Alltagsleben
Schwerbehinderte Menschen erhalten besondere Rechte, etwa im Berufsleben. Je nach Art der Behinderung können weitere Hilfen im Alltagsleben dazukommen. Sie werden als sogenannte Merkzeichen ebenfalls im Behindertenausweis eingetragen. Auch Patienten mit schweren Krankheiten wie etwa Krebs haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis, um sie zum Beispiel im Job vor Überlastung zu schützen.
Diese Rechte haben schwerbehinderte Berufstätige
- Ihnen stehen bei einer Fünf-Tage-Woche fünf zusätzliche Urlaubstage im Jahr zu.
- Sie können ab dem Jahr 2021 bei der Einkommensteuer einen Pauschbetrag zwischen 384 und 2 840 Euro im Jahr je nach Behinderungsgrad geltend machen, mit den Merkzeichen H (hilflos), Bl (blind) oder Tbl (taubblind) sogar 7 400 Euro.
- Sie dürfen abschlagsfrei früher in Rente gehen, wenn ihr Schwerbehindertenausweis zum Zeitpunkt des Renteneintritts noch gültig ist oder höchsten drei Monate vorher abgelaufen ist.
- Sie genießen einen besonderen Kündigungsschutz.
Besser geschützt im Berufsleben
Wollen Unternehmen Personal abbauen, bringt der Schwerbehindertenausweis Vorteile: Arbeitgeber müssen in diesem Fall für ihre schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst einmal prüfen, wie sie diese weiter beschäftigen könnten. Erst wenn alles versucht wurde und das zuständige Integrationsamt einer Kündigung zugestimmt hat, ist sie rechtens. Den besonderen Schutz am Arbeitsplatz genießen auch Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30 oder 40. Sie müssen dazu üblicherweise bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen stellen.
Mobil bleiben trotz Behinderung
Der Schwerbehindertenausweis hilft auch, mobil zu bleiben. Autobesitzer mit dem Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert) zahlen beispielsweise weniger oder gar keine Kfz-Steuer und dürfen auf Behindertenparkplätzen parken, unter bestimmten Voraussetzungen sogar im Halteverbot oder in Fußgängerzonen, wenn etwa keine anderen Parkplätze frei sind. Dazu benötigen sie einen blauen Parkausweis, den sie bei der Straßenverkehrsbehörde am Wohnort beantragen können. Er gilt für alle europäischen Länder.
Befreiung von der Kfz-Steuer
Der Schwerbehindertenausweis verhilft je nach bewilligtem Merkzeichen zu einer verringerten Kfz-Steuer oder der kompletten Befreiung von dieser Steuer.
Wer kein Auto hat, kann stattdessen kostenlos oder ermäßigt öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die Freifahrt in Bus und Bahn muss extra beantragt werden. Dazu stellt das "Zentrum Bayern Familie und Soziales" ein „Beiblatt“ im Bankkartenformat aus. Damit diese Karte als Fahrschein gilt, müssen die Berechtigten jedes Jahr eine neue Wertmarke aufkleben. Die ist je nach Merkzeichen kostenlos, oder sie kostet 91 Euro für ein Jahr.
Europa lässt auf sich warten
Der deutsche Schwerbehindertenausweis gilt im Ausland nicht, und auch umgekehrt erkennt die Bundesrepublik Ausweise aus anderen europäischen Ländern nicht als gleichwertig an. Momentan ist der blaue EU-Parkausweis die einzige grenzüberschreitende Regelung in Europa.
Ansonsten bestimmt jedes Land für sich, wer als schwerbehindert anerkannt wird und welche Rechte sich daran anknüpfen.
Das Europaparlament hat im Oktober 2021 vorgeschlagen, die Europäische Union (EU) sollte einen Europäischen Behindertenausweis einführen, um den Behindertenstatus in der EU gegenseitig anzuerkennen. Noch kein einheitlicher Beschluss vorhanden.
Kostenloser Zugang zu barrierefreien sanitären Anlagen
Eine private Initiative ist da schon weiter: Seit 1986 existiert der „Euroschlüssel“, ein europaweites Schließsystem, das körperlich beeinträchtigten Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen oder Merkzeichen im Ausweis kostenlos Zugang zu barrierefreien sanitären Anlagen verschafft. Der Einheitsschlüssel öffnet Autobahn- und Bahnhofstoiletten, passt aber auch für öffentliche WCs in Fußgängerzonen, Museen und Behörden. Schwerbehinderte können ihn für 23 Euro plus Versandkosten beim Club Behinderter und ihrer Freunde in Darmstadt bestellen.