Kommunalforum
Vorstellung von Projekten aus Bayern und Main-Spessart
Auf Einladung der Fachstelle für Seniorenarbeit des Landkreises Main-Spessart stellten beim Kommunalforum „Demografiefeste Kommune - Soziale Gemeindeentwicklung“ verschiedene Gemeinden Maßnahmen und Projekte vor, welche ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben vor Ort ermöglichen können. Zudem berichtete Frau Annegret Schefold von der Förderung des bayer. Sozialministeriums „Quartierskonzepte“ und den Unterstützungsmöglichkeiten von der Koordinationsstelle „Wohnen im Alter“ für Kommunen und Initiativen.
Die Globalisierung und der demografische Wandel verbunden mit einer schrumpfenden Bevölkerung stellen besonders die Kommunen im ländlichen Raum für die Zukunft vor große Herausforderungen. Denn die Bedingungen für gute Lebensqualität werden in erheblichen Umfang vor Ort in den Gemeinden gesetzt.
Das Forum des Landkreises sollte als Informations- und Austauschplattform dienen und Möglichkeiten für Bürgermeister, Gemeinderäte und Seniorenvertreter aufzeigen, mit welchen Ideen und Maßnahmen man die Kommune zukunftsfähig im Hinblick auf den demografischen Wandel ausrichten und gestalten kann.
Beispiel Gemeinde Langenfeld, Bürgermeister Streng
Als erster Referent berichtete der ehrenamtliche Bürgermeister Reinhard Streng aus der 1000-EW-Gemeinde Langenfeld in Mittelfranken. Die Gemeinde Langenfeld mit ca. 1000 Einwohnern liegt ca. 50 km zu größeren Städten wie Nürnberg und Würzburg entfernt im eher strukturschwachen, ländlichen Raum. Nach einer längeren anfänglichen Orientierungsphase und auch Widerständen wurde 2008 das Mehrgenerationshaus Dorflinde als „öffentliches Wohnzimmer“ errichtet.
Danach entstanden in der Folge ein Wohnprojekt mit Tagespflege, eine ambulant betreute Wohngemeinschaft, eine Speisegaststätte sowie seit 2017 ein Dorfladen mit barrierefreien Arzt- und Physiotherapiepraxis.
Die umgesetzten Projekte haben ihren Ursprung in einem kleinen Altenhilfekonzept. Ziel war es, gerade älteren Dorfbewohnern einen Verbleib in Ihrer Gemeinde zu ermöglichen und wieder soziale Treffpunkte zu schaffen. Hierzu hat die Gemeinde immer wieder die Möglichkeit ergriffen in den Besitz von Grundstücken bzw. Gebäuden im Ortskern zu gelangen, um Planungen für einen zukunftsfähigen Ort zu verwirklichen. Im Einzelnen:
1. Mehrgenerationenhaus Dorflinde als Keimzelle der gesamten Dorfentwicklung
2. Mehrgenerationen-Wohnprojekt mit Tagespflege:
Grundsätzlich ist es ein Anliegen der Gemeinde vorhandene Bausubstanz zu nutzen. Hier war dies leider nicht möglich und das alte Gebäude wurde abgerissen. Einrichtung ist seit der Eröffnung voll belegt. Die Gemeinde ist der Eigentümer der Immobilie. Den Betrieb übernimmt ein privater Pflegedienst.
3. Ambulant betreute Wohngemeinschaft
bestehend aus einzelnen Apartments mit Gemeinschaftswohnbereich. Dieses Projekt ergänzt die Tagespflege durch ein „stationäres“ Pflegeangebot im Dorf. Vorrangig richtet sich die Wohngemeinschaft an demenzkranke Menschen.
Aufgaben der Gemeinde: Schaffung einer baureifen Fläche im Ort durch Abriss einer alten Bäckerei. Es folgte die Suche nach einem Generalunternehmer für die Errichtung. Die Gemeinde erwirbt Miteigentumsanteil an einer Wohnung.
4. Dienstleistungszentrum – Gesundheitsvorsorge und –versorgung
Der Arzt wollte aufgrund ungeeigneter Praxisräume aus dem Ort wegziehen. Dies wollte die Gemeinde unbedingt verhindert und hat sich auf die Suche nach neuen Räumlichkeiten gemacht. Gemeinde erwirbt eine Gewerbebrache. Heutige Nutzung: Arztpraxis und Physiotherapie (barrierefrei)
5. Dienstleistungszentrum – Nahversorgung
2017 wurde der Dorfladen in Langenfeld eröffnet. Gemeinschaftlich organisierter Dorfladen mit Café, Post/DHL, Lotto/Totto. Lieferant des Dorfladens ist tegut. Mit im Gebäude: Die Gemeinde konnte zwei Banken dazu bewegen Geldautomaten aufzustellen.
Bgm. Streng: Selbst einkaufen zu können, ist eines der wichtigsten Dinge für die Dorfbewohner. Nur so können ältere Menschen und auch Menschen mit einer leichten Demenz selbstständig bleiben. Alle anderen geschaffenen Angebote z.B. MGH sind zwar wichtig – aber am positivsten wird der Dorfladen gesehen --> man kann sich selbst versorgen und wird nicht einfach nur versorgt, trifft Leute und nimmt am Leben teil. Es ist ein Treffpunkt für alle Generationen.
Die anschiebende Rolle wurde mit jedem Projekt weniger benötigt. Die Kommune hat jedoch die Entwicklung im Ortskern nicht dem Zufall überlassen, sondern aktiv die Entwicklung gelenkt.
Seniorenbeirat im Markt Kreuzwertheim
In einem weiteren Vortrag zeigte Bürgermeister Thoma aus Kreuzwertheim, welche positiven und belebenden Effekte ein Seniorenbeirat als beratendes Gremium für die Gemeinde haben kann. Neben vielen Anregungen den öffentlichen Raum möglichst barrierearm zu gestalten, wurde ein Bürgerbus installiert, der abgelegene Ortsteile und Siedlungsgebiete an das Ortszentrum anbindet. Viele ältere Bürger nutzen diese Möglichkeit zum Arztbesuch und Einkaufen.
Die Mitglieder dieses Beirates bringen sich zudem noch freiwillig in Projekte ein. So gibt es einen Tanztreff, ein Computertreff und einen gemeinsamen Mittagstisch, bei dem sich regelmäßig ältere Menschen treffen und austauschen.
Bei Planungen für neue Infrastrukturprojekte wird das Gremium gehört und beteiligt. So soll es zukünftig ein Ärztehaus, eine Tagespflege und eine ambulant betreute Wohngemeinschaft geben. Ziel ist es eine gute wohnortnahe Allgemeinversorgung zu bieten, so dass auch ältere Menschen möglichst lange vor Ort gut leben können.
Zusätzlich als Stichpunkte:
· Seniorenbeirat ist beratendes Gremium der Gemeinde
· Verzicht auf einschränkende Regularien
· Bürgermeister ist Teil des Seniorenbeirats und bringt Themen direkt in den Gemeinderat
· ein Mitglied des Seniorenbeirats ist Teil des Kreisseniorenbeirats
· jeder Ortsteil wurde berücksichtigt
· viele Themen angegangen – kleinere Maßnahmen werden schnell umgesetzt:
z.B. Barrierefreiheit: Anbringen eines Handlaufs, Absenken von Bordsteinen
· Umgesetzt: Schaffung von altersgerechten Wohnungen im Altort, Bürgerbus, Seniorenbetreuung (Tanz, Digitale Welt, gemeinsamer Mittagstisch), Mehrgenerationenplatz, Dienstleistungszentrum, Orte der Begegnung z.B. Biergarten
· Planung: MVZ zur Sicherung der ärztlichen Versorgung, Tagespflege und ambulant betreute Wohneinheiten
Ziel: Verschiedene Wohnformen fürs Alter anbieten. Mobilität der Bürger soll erhalten werden und eine wohnortnahe Versorgung möglich sein.
Betreuungsgruppe und Bürgertreff in Retzstadt
In der kleinen Gemeinde Retzstadt widmet sich neben dem Gemeinderat u.a. eine Gruppe von Ehrenamtlichen dem Thema „Alt werden in Retzstadt“ berichtet Bürgermeister Gerhard. Auch hier versucht man Angebote zu schaffen und auszubauen, um evtl. einen verfrühten Wegzug in ein Pflegeheim zu verhindern. Als Besonderheit hat man zusammen mit dem Mehrgenerationenhaus Binsfeld eine kommunale Betreuungsgruppe und ehrenamtliche Betreuer installiert, um pflegende Angehörige zu entlasten. Mit der Nutzung von haushaltsnahen Dienstleistungen möchte man auch die Firmen im Ort unterstützen. Ein ehemaliges Klostergebäude in der Ortsmitte wurde als Bürgertreff saniert, in dem zukünftig regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden sollen. Planungen gibt es zu barrierefreien Wohnungen im Ortskern und Überlegungen zu einem Dorfladen.
Markt Triefenstein beim „Marktplatz der Generationen“
Ein Förderprojekt der besonderen Art ist der „Marktplatz der Generationen“ des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales. Die Förderung besteht nicht finanzieller Art, sondern aus einer kompetenten Beratung. 2017 wurde das Modellprojekt neu vergeben. Der Markt Triefenstein hat sich dafür beworben und den Zuschlag erhalten. Die fachliche Begleitung dauert i.d.R. zwei Jahre. Diese umfasst neben dem fachlichen Input auch die Unterstützung beim Erarbeiten von Förderanträgen.
In Triefenstein wurde neben einer Haushaltsbefragung bislang ein Fahrdienst zu Ärzten und dem örtlichen Edeka-Markt organisiert. Der Bus startete seit Anfang Dezember im Probebetrieb und fährt im regulären Linienverkehr. Eine weitere Ausschreibung für Kommunen wird es Mitte 2019 geben, bei der sich vor allem Gemeinden unter 3000- Einwohner bewerben können.
Koordinationsstelle „Wohnen im Alter“ aus München
Frau Annegret Schefold von der Koordinationsstelle „Wohnen im Alter“ aus München stellte das Förderprojekt „Quartierskonzepte“ anhand von Beispielen für Kommunen vor. Durch einen hauptamtlichen Kümmerer soll in den Bereichen Pflege und Versorgung, Wohnen und Soziales Maßnahmen in einem individuellen Konzept erarbeitet und umgesetzt werden. Zur Finanzierung dieser Stelle wird eine bis zu 90%- Förderung über vier Jahre gewährt.
· Beispiele:
Chiemgau: eine halbe Stelle Quartiermanagement; „Wohnen beim Karmer“ fünf barrierefreie Wohnungen als Wohngemeinschaft mit gemeinschaftlichen Räumen, betreut von drei unterschiedlichen ambulanten Diensten, Quartiersmanager geht regelmäßig in die Einrichtung und kümmert sich
Kirchanschöring: Haus der Begegnung mit ambulant betreuter WG und Sozialbüro; 9 Wohnungen, WG und Arzt
Weiterhin berät die Koordinationsstelle Kommunen oder Initiativen. Vom Dorfladen über die verschiedensten Wohnprojekte bis zum Aufbau einer Nachbarschaftshilfe können sie hilfreiche Tipps und Hinweise geben werden. Bei Bedarf beraten sie auch mal vor Ort.
Zudem bieten sie seit 2017 themenspezifische und regionale Exkursionen an. Je nach Themenschwerpunkt werden dabei Besichtigungen von Projekten vor Ort, inkl. Projektvorstellung angeboten oder Konzeptionen vorgestellt. Es besteht die Möglichkeit, in einen Erfahrungsaustausch zu treten und sich mit den Akteuren vor Ort zu vernetzen.
Gemeinde Langenfeld, 8452 KB |