Eine eigene Wohnung heißt Unabhängigkeit

08.05.2019

„Im Landkreis Main-Spessart lässt es sich gut leben! Damit werben Politiker, Unternehmer, Bürger. Grundsätzlich ist das auch so“, sagt Laura Senger, hauptamtliche Integrationslotsin am Landratsamt Main-Spessart „Doch das gilt nicht für alle, denn auch bei uns leben Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen von Sozialleistungen abhängig sind oder ein sehr niedriges Einkommen haben“, ergänzt Yasemin Roth von der Sozialen Wohnungsbörse FairMieten des Caritasverbandes. Die Auswirkungen der finanziellen Einschränkung zeigen sich nicht nur im Alltag, sondern gerade auch bei der Wohnungssuche. Deshalb versuchen die beiden gemeinsam diese Menschen dabei zu unterstützen und Angebot und Nachfrage – also Vermieter und Mieter – gezielt zusammenzubringen und zu vermitteln.

„Sozialen Wohnraum gibt es zwar, aber leider nicht genug“, erklärt Roth. „Für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, Seniorinnen und Senioren, die nur eine kleine Rente haben, oder alleinerziehende Eltern ist es oft schwer eine geeignete Wohnung zu finden.“ Genauso ergehe es Menschen mit Fluchthintergrund, die noch mit weiteren Vorurteilen zu kämpfen hätten, ergänzt Senger.

„Dass in diesen Fällen eine gezielte Vermittlung zwischen Wohnungssuchenden und potentiellen Vermietern auch in unserem Landkreis notwendig ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen aus dem letzten Jahr“, erläutert Roth. Bis Ende 2018 gingen 256 Anfragen ein, dahinter stehen insgesamt 702 Personen, davon alleine 339 (!) Kinder, 40 Senioren und 561 Menschen mit Migrationshintergrund.

Dieser Anzahl standen lediglich 26 Mietobjekte gegenüber. „Davon konnten wir im letzten Jahr 21 Objekte erfolgreich vermitteln“, so Roth stolz. Damit haben 64 Personen, meistens nach langer Suche, die passenden vier Wände gefunden. Zwei von diesen Erfolgsgeschichten möchten wir heute und kommende Woche vorstellen.

Jafar aus Afganistan lebt heute in Homburg
Jafar kam als unbegleiteter minderjähriger Ausländer aus Afghanistan nach Deutschland und lebt seit letztem Sommer in einer eigenen Wohnung in Homburg. „Nach einem halben Jahr haben wir uns zu einem spontanen Besuch angekündigt und nachgefragt, wie es ihm in den letzten Monaten in den eigenen vier Wänden ergangen ist“, sagt Senger.

Auf die Frage, warum er sich damals überhaupt an FairMieten gewandt hat, war die Antwort eindeutig: „Alleine oder mit Hilfe meiner Betreuer aus der Wohngruppe habe ich nichts gefunden.“ Einige Suchparameter mussten für Jafar erfüllt sein: Die Wohnung sollte im Raum Marktheidenfeld bzw. Lengfurt sein, denn dort macht er ein Vorbereitungsjahr und beginnt im Herbst voraussichtlich eine Ausbildung und hat weder Führerschein, geschweige denn ein eigenes Auto. Und wichtig war auch, dass die Wohnung in die sog. „Angemessenheitsgrenzen“ des Landkreises fällt, d.h. dass die Miete einen bestimmten Betrag nicht überschreitet. Denn anderenfalls hätte das Jobcenter die Mietkosten nicht übernommen.

Jafar hat sich mittlerweile gut in Homburg eingewöhnt und weiß die Vorteile des Ortes zu schätzen. Er treibt viel Sport, denn alle Strecken muss er mit dem Fahrrad zurücklegen. Das ist nicht nur der Weg zur Arbeit, sondern auch zu Freunden, die zum Beispiel in Hasloch und Marktheidenfeld wohnen, und das bei Wind und Wetter. „Die Busverbindung ist nicht so gut, da bleibt mir oft nichts anderes übrig“, berichtet er uns trotzdem mit einem Lächeln im Gesicht. „Wenn ich mal mehr einkaufen muss oder das Wetter viel zu schlecht ist, nehmen mich Arbeitskollegen oder Bekannte mit.“ Außer zu seinem Nachhilfelehrer, einem Homburger, mit dem er bereits in der Wohngruppe gelernt hat, hat er wenig Kontakt zu anderen aus Homburg oder auch zu Mitbewohnern in seinem Wohnhaus, einem Mehrfamilienhaus. Schnell fügt er aber hinzu: „Das liegt nicht daran, dass ich Afghane bin und die Leute nichts mit mir zu tun haben wollen, sondern daran, dass wir alle den ganzen Tag arbeiten und nicht zuhause sind, da sieht man sich einfach nicht. Vielleicht mal am Wochenende, aber da arbeite ich ja auch meistens noch in einer Bäckerei im Nachbarort.“

Mit seinen knapp 19 Jahren musste Jafar sehr schnell erwachsen werden und ein Leben führen, das für so manchen Gleichaltrigen nur schwer vorstellbar ist. Dabei hat ihm am meisten geholfen, dass er eine eigene Wohnung hat. Mit 18 Jahren müssen die jungen Erwachsenen meistens die Jugendhilfeeinrichtung verlassen und versuchen, auf eigenen Füßen zu stehen. Das hat Jafar bereits geschafft. Und noch mehr: Mittlerweile sorgt er komplett selbst für seinen Lebensunterhalt. Aber alleine zu wohnen hat nicht nur Vorteile, gibt er offen zu. Zwar hat er Ruhe, wenn er nach der Arbeit nach Hause kommt oder lernen muss. Das war in der Wohngruppe anders. Aber wenn ihm mal langweilig ist, ist niemand da oder er muss bei Wind und Wetter zu seinen Freunden mit dem Rad fahren. „Doch das ist nicht so wichtig“, meint Jafar. „Die Unabhängigkeit, die ich im letzten Jahr erreicht habe, ist viel wichtiger!“

Wenn auch Sie eine freie Wohnung haben oder wissen, dass in Ihren Bekanntenkreis jemand vermieten möchte, und Sie so jemanden auf seinem Weg in die Unabhängigkeit unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte entweder an Yasemin Roth von „FairMieten“ unter Tel.: 0 93 52 / 843 143 oder per E-Mail an Fairmieten@Caritas-Msp.de oder an Laura Senger vom Landratsamt unter Tel.: 0 93 53 / 793 – 10 21 oder Wohnraumboerse@Lramsp.de. Weitere Informationen finden Interessierte im Internet unter www.caritas-msp.deexterner Link - FairMieten oder hier.