Schlechtes Jahr für die Main-Spessarter Mausohren

09.08.2021
Die Kirche in Wolfsmünster beherbergt eine der größten Fledermaus-Kolonien des Großen Mausohres (Myotis myotis) im Landkreis Main-Spessart. Seit 1987 wird hier die Anzahl der Tiere dokumentiert. Im Juli fand die jährliche Zählung statt; das traurige Ergebnis: Viele Jungtiere haben es heuer nicht geschafft.

„Wir als Region haben gemeinsam eine ganz besondere Verantwortung für die Mausohren“, so Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Naturparks Spessart e.V. Denn: Main-Spessart hat so viele Kolonien dieser Fledermausart, wie kein anderer Landkreis in Bayern. Im Juli kontrollierten Expertinnen und Experten das Quartier in Wolfsmünster und zählten die Tiere. Dazu waren Matthias Hammer, Leiter der Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Nordbayern und Mitarbeiter:innen der Naturschutzbehörden in Karlstadt und Würzburg gekommen. Unterstützt wurden sie dabei vom örtlichen Kirchenpfleger, der den Fledermausschutz seit vielen Jahren unterstützt.

2021: ein schlechtes Jahr für Fledermäuse

Einer der Gründe für den Erfolg im Spessart sei, so Hammer, dass die Mausohren gerne in Laubwäldern nach Laufkäfern jagen. „Da ist der Spessart sehr ergiebig, er kann viele große Kolonien sattmachen.“ Leider sei 2021 ein eher schlechtes Fledermausjahr; nur 300 Tiere konnten in Wolfsmünster erfasst werden.

Ein Grund sind die regnerisch-kalten Nächte, in denen es nur wenige Insekten gab. „Die Fledermausmütter haben dann zu wenig Milch, die Jungen werden schwach und kommen nicht durch“, so der Experte. In den vergangenen trockenen Sommern hingegen waren die Temperaturen zu hoch. „Die Tiere verglühen dann fast hinter den Ziegeln in den Kirchendächern, auch das schwächt sie.“ Daher sei es wichtig, dass die Fledermäuse vorübergehend auf andere Quartiere ausweichen könnten.

Fledermäuse brauchen ein Netzwerk aus Quartieren

Die Mausohrweibchen sind eigentlich geprägt auf den Dachstuhl, in dem sie geboren wurden. Dorthin kommen sie immer wieder zurück – bis zu 15 Jahre lang – und ziehen jeweils ein Junges auf. „Es gibt jedoch Phasen“, so Hammer, „da weichen sie auf ein anderes Quartier aus.“

Doch woher kennen die Tiere überhaupt andere Unterkünfte? „Es wird vermutet, dass die Weibchen sich beim Jagen mit Tieren anderer Kolonien vermischen und dann auch mal anderswo den Tag verbringen.“ Sie besuchen sozusagen Verwandte und schaffen sich eine Rückversicherung für Zeiten, in denen das eigene Quartier nicht aufgesucht werden kann.

Eulen im gleichen Quartier, so der Biologe, könnten zum Beispiel zum Problem werden; genauso wie nicht abgestimmte Baumaßnahmen oder andere Hindernisse. „Auf der Scherenburg in Gemünden stand im Jahr 2000 ein Scheinwerfer der Festspiele in der Einflugöffnung.“ Die Tiere seien nach Wolfsmünster ausgewichen. „1.600 Tiere wurden da in Wolfsmünster gezählt“, so Hammer. Je mehr Quartiere einer Fledermausart es gebe, desto stabiler werde das Netzwerk.

Gute Zusammenarbeit, doch zu wenig Stellen

„Fledermausschutz in Bayern ist überwiegend eine Leistung des Ehrenamtes“, so Hammer; ein Grund sei, dass die amtlichen Naturschutzfachkräfte viel anderes zu tun hätten. Oliver Kaiser meint, die Zusammenarbeit im Naturschutz in Main-Spessart sei sehr gut, auch wenn es immer noch zu wenige Stellen im behördlichen Umwelt- und Naturschutz gebe. „Es wäre schön, wenn die Behörden personell so weit ausgestattet wären, dass sie ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen können.“

Kirchen als Vorbilder

Auch die Rolle der Kirchen beim Fledermausschutz sei wichtig. „Diese haben eine Vorbildfunktion“, so Hammer. Im Landkreis Main-Spessart wurden heuer über 50 Kirchen erstmals auf Fledermäuse und andere geschützte Tierarten untersucht. Diese Erfassung wurde durch die untere Naturschutzbehörde (UNB) in Karlstadt in Auftrag gegeben. Kirchenpfleger und Messner stünden den Fledermäusen positiv gegenüber.

Wichtig sei, so Hammer, immer im Gespräch zu bleiben. „Die Erfahrung zeigt: wenn man die Kolonien über Jahre nicht betreut, kann sich schnell etwas zum Negativen wenden.“ Es gebe manchmal Missstimmungen, die man im Gespräch fast immer klären könne. Auch geplante Sanierungen oder Umbauten seien dann ein Thema.

Sanierung ist möglich

Wer Fledermäuse am Haus hat, darf die Tiere nach Naturschutzgesetz nicht vertreiben oder gar das Quartier zerstören. Jedoch: „Fledermäuse verhindern notwendige Sanierungsmaßnahmen nicht“, so der Biologe. Man könne beide Belange immer unter einen Hut bringen, solle sich aber frühzeitig mit Expertinnen und Experten in Verbindung setzen. „Erster Ansprechpartner sind die UNB in Karlstadt und der Fledermausfachberater des Landkreises Uwe Scheurich.“

Umweltbewusstsein immer noch zu theoretisch

Hammer bedauert, dass das Umweltbewusstsein der Menschen in der Praxis leider nicht ausreichend sei. Viele meinten noch immer, sie könnten auf eigenem Grund tun und lassen, was sie wollten. „Das ist nicht richtig“, so der Fledermaus-Experte, denn es gebe Gesetze für den Naturschutz, die für alle gelten. „Vergleichen Sie es mit dem Straßenverkehr: Sie fahren mit dem eigenen Auto, dennoch müssen Sie sich an die Regeln halten.“ Viel wäre erreicht, wenn alle in ihrem privaten Bereich der Natur Platz einräumen würde. Dazu gehöre auch ein Fledermausvorkommen zu tolerieren und als Bereicherung wahrzunehmen.

„Wer Fledermäuse am Haus hat, kann sich glücklich schätzen“, so Hammer. Die Tiere fressen viele Insekten, wie beispielsweise Stechmücken; ihr Kot ist ein guter Dünger. „Viele mögen Schwalben und Hausrotschwänzchen als Frühlingsboten und Stimmen des Sommers. Die Fledermäuse sind sozusagen die Nachtschicht, leider haben sie einen schlechteren Ruf.“

Infobox:

Ein naturnaher Garten, alter Baumbestand, Fledermauskästen und möglichst geringe nächtliche Beleuchtung helfen den Fledermäusen. Wer die Tiere unterstützt und vielleicht sogar schon welche beherbergt, hat sich die Plakette „Fledermäuse willkommen“ des Bayerischen Landesamtes für Umwelt für sein Haus verdient. Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer können sich bei Interesse an die UNB des Landkreises in Karlstadt wenden.

Mausohr
Foto: Dr. T. Ditting