50 Jahre Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder in Main-Spessart

Wer Kinder hat, der weiß, dass in Fotolia_79401640_Lbestimmten Zeiten und Entwicklungsphasen Sorgen und Probleme nicht ungewöhnlich sind. Nicht immer sind die Eltern alleine in der Lage Lösungen für schwierige Familiensituationen zu finden. Hilfe und Rat erhalten Eltern und ihre Kinder im Landkreis Main-Spessart bei der Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder. In diesem Monat feiert diese Fachstelle ihr 50-jähriges Jubiläum. Leider kann der geplante Festakt zum 50. Jubiläum nun wegen Corona nicht stattfinden. Doch das Jubiläum ist ein guter Anlass an die Anfänge dieser Einrichtung zu erinnern und das vielfältige Angebot in Ausschnitten darzustellen.

1970 war es nicht selbstverständlich, sich bei schwierigen Familienthemen und in Erziehungsfragen professionelle Hilfe zu suchen. So war der Anfang der Beratungsstelle zunächst sehr bescheiden. Lediglich an zwei Nachmittagen im Monat fanden im Landratsamt Sprechstunden statt. Doch mit der steigenden Akzeptanz wurde die Fachstelle in den folgenden Jahren systematisch ausgebaut. Heute lassen sich - quer durch alle Bevölkerungsschichten - jährlich bis zu 800 Familien beraten. Zwei Psychologinnen und ein Psychologe, drei Sozialpädagoginnen und eine Sekretärin sind in der Beratungsstelle beschäftigt.

Die Rahmenbedingungen von 1970 sind dieselben wie 2020. Das heißt:

  • Alle Gespräche sind kostenfrei.
  • Es braucht für eine Anmeldung keinen Krankenschein und keine Überweisung.
  • Die Gespräche sind vertraulich und die BeraterInnen unterliegen der Schweigepflicht.
  • Direkte Ansprechpartner statt Anrufbeantworter Bei der ersten Kontaktaufnahme erreichen Sie in aller Regel die Sekretärin. Hier können Sie direkt alle organisatorische Fragen stellen.
  • Ortsnahe Beratung Um Anfahrtswege kurz zu halten und mit öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar zu sein, gibt es neben der Hauptstelle in Karlstadt auch Außenstellen in Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld, die regelmäßig besetzt sind.
  • Zeitnahe Termine Der erste Gesprächstermin erfolgt in 80% der Fälle innerhalb von 4 Wochen. Für Krisensituationen bieten wir ein Akut-Telefongespräch und am Folgetag ein Gespräch an.
  • Sich Zeit nehmen für ein ausführliches Gespräch: Sich Zeit zu nehmen, zuzuhören ist uns wichtig, d.h. für die Gespräche planen wir bis zu 1.5 Stunden ein.

Die klassischen Familien- und Erziehungsthemen
Im Laufe der 50 Jahre haben sich mit den Veränderungen in der Gesellschaft auch die Arbeitsschwerpunkte verlagert. Bis Ende der 90iger war ein Schwerpunkt die Entwicklungsdiagnostik bei Kindergartenkindern und Diagnostik bei Schulschwierigkeiten. Da es bis dahin kaum Therapieplätze für Kinder und Jugendliche im Landkreis gab, wurden auch Kinder und Jugendliche längerfristig psychotherapeutisch begleitet.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist auf medizinischer, schulischer und Jugendhilfe-Ebenen ein immer umfangreicheres Netz an diagnostischen und therapeutischen Angeboten sowie an Unterstützungssystemen für Familien entstanden. Den diagnostischen und psychotherapeutischen Anteil der Arbeit in der Beratungsstelle haben zum Großteil andere Stellen übernommen.

Die klassischen Familien- und Erziehungsthemen sind aber Schwerpunkte der Arbeit geblieben, der präventive Anteil sowie die Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen Stellen nimmt deutlich größeren Raum ein.

Beratung beginnt mit den ElternFotolia_68383294_L
Im Familiensystem haben Eltern als die wichtigsten Bezugspersonen die größte Verantwortung und Wirkkraft. Zwar bringt jedes Kind bereits ein bestimmtes Temperament und bestimmte Veranlagungen mit auf diese Welt. Ob sich bestimmte Eigenschaften in eine positive oder problematische Richtung entwickeln, hängt maßgeblich davon ab, wie konstruktiv die unterschiedlichen Persönlichkeiten innerhalb der Familie miteinander in Beziehung treten. Deshalb beginnt in der Regel die Beratung mit einem ersten Gespräch mit den Eltern oder einem Elternteil.

Die Beratung ist immer eine lösungsorientierte Beratung. Gemeinsam mit den Ratsuchenden werden konkrete und selbst umsetzbare Lösungen erarbeitet. Oft haben Eltern sich bereits viele Gedanken gemacht und versucht diese umzusetzen. Doch sie sind unsicher, ob sie wirklich die „richtigen“ Dinge tun. Diesen Eltern reicht meist eine kurze Beratungssequenz. Indem sie sich mit Hilfe des Beraters das Familiensystem aus der Perspektive der anderen Mitglieder anschauen, verstehen sie die emotionalen Wechselwirkungen besser und finden selbst die passenden Lösungen. Sie vertrauen wieder auf ihr Bauchgefühl, das Richtige zu tun.

Es gibt jedoch auch Familien, wo ein Elternteil gesundheitlich oder psychisch belastet ist oder die Familie sich durch äußere Umstände in einer Krisensituation befindet. Statt Ratschlägen brauchen diese Eltern zunächst das Gefühl, dass man sich Zeit nimmt und zuhört, sodass sie sich mit ihren Sorgen aufgehoben fühlen. Dann öffnen sie sich, so dass mögliche Lösungsschritte auf die komplexe Situation und die vielleicht eingeschränkten Möglichkeiten der jeweiligen Familie angepasst werden können.

Die Pubertät ist eine Entwicklungsphase in der besonders viele Eltern Hilfe suchen. Es ist nicht leicht für Eltern, mit den ständigen Gefühlswechsel bei den Pubertierenden zu leben, sich oft hilflos und wenig wertgeschätzt zu fühlen und trotzdem mit dem/der Jugendlichen im Gespräch zu bleiben.

Hilfe bei Trennung und ScheidungFotolia_79837357_L
50% der Familien, die in die Beratungsstelle kommen, sind von Trennung und Scheidung betroffen, was in verschiedenen Aspekten zum Thema in der Beratung wird. So gelingt es bei einer schwierigen Trennung Eltern häufig nicht, ihre Paarkonflikte von den Kindern fern zu halten. Die Beratungsstelle bietet dazu mit moderierten Elterngesprächen und der Mediation eine Plattform für konstruktive Lösungen. Auch neu zusammengesetzte Patchwork-Familien funktionieren anders als die „normalen“ Mutter-Vater-Kind-Familien. Oft suchen diese Familien Beratung erst, wenn das Beziehungsgefüge eskaliert ist.

Die individuelle Beratung wird ergänzt durch verschiedene Gruppenangebote: Kindergruppen, die die soziale Kompetenz-stärken oder Kindern helfen ihre Emotionen zu regulieren, eine Trennungs- und Scheidungsgruppe, Elternkurse und eine Integrationsgruppe für syrische Mütter und ihre Kinder.

Neben diesen Angeboten auf freiwilliger Basis hat die Beratungsstelle in den letzten Jahren in Kooperation mit dem Familiengericht Gemünden und dem Amt für Jugend und Familien das Konzept der verpflichtenden Beratung entwickelt. Bei der Kooperation mit dem Familiengericht handelt es sich um das Modul der Konfliktmediation bei (hoch) strittigen Eltern. Denn die psychischen Belastungen und Schäden für Kinder, deren Eltern sich dauerhaft bekämpfen, sind wissenschaftlich belegt. Das Gericht verpflichtet deshalb Eltern auch zu gemeinsamen Gesprächen im Rahmen der Konfliktmediation.

Das Amt für Jugend und Familien verpflichtet Eltern zu Gesprächen, wenn es um Themen des Kinderschutzes geht. Neben anderen Hilfen ist die Beratungsstelle hier ein Baustein des Hilfeplanes.

Weitere interessante Informationen zur Arbeit der Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder finden sie auf der Webseite: www.erziehungsberatung-msp.deexterner Link.

Team Erziehungsberatung
Bild Andrea Stiel
Mit dem Team der Beratungsstelle voll auf Kurs