Jüdische Geschichte im Spessart wird erlebbar – Neue Ausstellung im Spessartmuseum Lohr eröffnet
18.11.2024
Foto: Karin Berwian | Von links: Anne Kraft (Sachgebietsleiterin Museen Bezirk Unterfranken), Ruth Steger (3. Bürgermeisterin Lohr), Maude Schlossmann, Landrätin Sabine Sitter, Wolfgang Vorwerk (Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr), Christa Schleicher (wissenschaftliche Mitarbeiterin des Spessartmuseums).
Mit einem neuen Bereich zur jüdischen Geschichte im Spessart und im Landkreis MainSpessart widmet das Spessartmuseum Lohr dem jüdischen Leben in der Region ein dauerhaftes Denkmal. Die am Dienstag, 12. November, eröffnete Ausstellung erinnert an das historische Erbe, das durch die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts beinahe ausgelöscht wurde. Die neue Abteilung umfasst neben religiösen Exponaten wie einem Tora-Schrein, der ursprünglich aus der ehemaligen Synagoge in Lohr stammt, auch Alltagsgegenstände und persönliche Dokumente jüdischer Familien.
Landrätin Sabine Sitter ging in ihrem Grußwort zur Ausstellungseröffnung auf die Bedeutung des Ausstellungszeitpunkts im November ein und erinnerte an die Reichspogromnacht von 1938 und deren Folgen. Sie hob außerdem die besondere Rolle der Ausstellung hervor: „Durch die neue Dauerausstellung wird das jüdische Leben in unserer Region nun auch Menschen zugänglich gemacht, die vielleicht nicht gezielt den Weg in eine Gedenkstätte finden. Es ist besonders erfreulich, dass die Ausstellung erstmals vollständig ins Englische übersetzt wurde, um auch internationale Gäste anzusprechen.“ Gleichzeitig unterstrich sie die Verantwortung, das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Christa Schleicher, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Spessartmuseums, erläuterte, wie sich aus der Entdeckung des Schreins ein Projekt zur Erforschung und Bewahrung jüdischer Geschichte im Landkreis entwickelte: „Als wir 2021 den Tora-Schrein und die Bank in der alten Synagoge fanden, konnten wir noch nicht ahnen, dass sie der Ausgangspunkt für diese Ausstellung sein würden“.
Die Ausstellung umfasst auch eine Medienstation, die Informationen zu den israelitischen Kultusgemeinden der Region bietet und Einblicke in die Familiengeschichte jüdischer Bewohner Lohrs vom 19. bis ins 20. Jahrhundert gewährt.
Lohrs Dritte Bürgermeisterin Ruth Steger sagte, die Ausstellung sei „wichtig und richtig“, um „das jüdische Leben in der Region wieder sichtbar“ zu machen.
Maude Schlossmann, die Urenkelin des jüdischen Ehrenbürgers Joseph Schlossmann, war für die Ausstellungseröffnung aus Schweden angereist. „Mein Urgroßvater hätte sich über die Eröffnung der Ausstellung sehr gefreut,“ sagte sie. „Ich spreche heute im Namen der jüdischen Familien aus Lohr, deren Nachkommen auf der ganzen Welt verstreut sind und die heute nicht hier sein können.“ Ihr Urgroßvater hätte die ursprüngliche Gestaltung des Tora-Schreins wohl sofort erkannt und sich auch über die Esther-Rolle gefreut, deren Reparatur er 1929 wahrscheinlich unterstützt habe.
Wolfgang Vorwerk, Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Lohr, richtete den Blick auf die Geschichte der israelitischen Kultusgemeinde und ihre Verbindung zur Stadt. „Vor 160 Jahren wurde die Kultusgemeinde in diesem Gebäude gegründet, das damals als Bezirksamt diente. Heute gibt es hier erneut einen festen Ort, der ihrem Erbe gewidmet ist.“ Vorwerk erinnerte daran, dass die Lohrer Gemeinde trotz der schweren Zeiten des Nationalsozialismus und der systematischen Zerstörung ihrer Kultur fortbestehe: „Diese Gemeinde lebt nicht nur durch diese Ausstellung weiter, sondern auch durch Menschen wie Maude Schlossmann, die das Erbe ihrer Vorfahren in die Gegenwart tragen.“
Durch die neue Dauerausstellung im Spessartmuseum wird das jüdische Leben der Region einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Die Ausstellung, vollständig auch in englischer Sprache verfügbar, gewährt nicht nur historische Einblicke, sondern leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in Main-Spessart.